Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Definition von Multichannel, Cross-Channel, Omnichannel und No-Line
Aktuell findet sowohl im Internet als auch in der Fachliteratur eine inflationäre und synonyme Verwendung der Channel-Begriffe statt. Dabei kommt es immer wieder zu Unklarheiten bei der Abgrenzung der einzelnen Marketingstrategien. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wird im Folgenden eine definitorische Unterscheidung der einzelnen Channel-Strategien vorgenommen.
Multichannel
Das Ziel der Multichannel Strategie eines B2C-Unternehmens ist es, mehrere Absatzkanäle anzubieten, die der Kunde je nach Bedarf nutzen kann. Ein Wechsel von Kanälen bei ein und derselben Transaktion ist allerdings nicht möglich. Voraussetzung einer Multichannel Strategie ist, dass ein Absatzkanal den stationären Handel und mindestens ein weiterer den Online-Kanal repräsentiert. Daraus ergeben sich für das Unternehmen neue Fragestellungen in Bezug auf den Sortimentsumfang, welcher im jeweiligen Kanal angeboten wird. Die nachfolgende Abbildung zeigt die möglichen Sortimentsoptionen:
Dem Konsumenten stehen dadurch mindestens zwei Einkaufskanäle zur Verfügung. Das Unternehmen könnte – falls wirtschaftlich sinnvoll – noch einen dritten Vertriebskanal anbieten.
So könnten beispielsweise Unternehmen den Einzelhandel beliefern, ihre Produkte über einen Online-Shop vertreiben und zusätzlich mit einem Katalog Versandhandel betreiben. Die Kaufhandlung findet allerdings nur in einem Kanal während der gesamten Customer Journey statt, also ohne den Wechsel auf andere Kanäle zuzulassen. Die technischen Systeme des Handels laufen separat voneinander ab und die Transaktionen werden innerhalb des jeweiligen Kanals durchgeführt. Möchte der Kunde zum Beispiel die im Internet gekaufte Ware in einem stationären Geschäft zurückgeben, so ist dies nach übereinstimmender Quellenlage zur Multichannel Definition nicht möglich. Unterschiedliche Vertriebskanäle sind demnach zwar durch das Unternehmen abgestimmt, aber unabhängig voneinander zu betrachten und für den Konsumenten nur separat verfügbar.
Die nachfolgende Abbildung fasst die Elemente der Definition zu Multichannel-Marketing zusammen.
Cross-Channel
Das Cross-Channel Management kann als eine Weiterentwicklung des Multichannel Managements betrachtet werden. Hierbei werden die einzelnen Kanäle miteinander verknüpft. Der Kaufprozess findet nicht wie beim Multichannel Management durchgehend in einem Kanal statt. Stattdessen werden die jeweiligen Möglichkeiten während des Kaufprozesses über allen Phasen hinweg flexibilisiert. Der Kunde bekommt dadurch eine größere Transparenz über die Merkmale, Preise, Verfügbarkeit und Serviceleistungen der Ware. Die derzeit bekanntesten Varianten des Cross-Channel-Marketings sind in der folgenden Abbildung genannt.
Weitere Varianten finden sich in der folgenden Abbildung von Arvato Bertelsmann:
Durch den integrativen Ansatz des Cross-Channel Marketings kann sich das Unternehmen durch mehr Flexibilität gegenüber der Konkurrenz differenzieren. Durch die Möglichkeit des Kanalwechsels innerhalb der Customer Journey wird die Gefahr des Informations- und Vertrauensverlustes für den Kunden reduziert. Beginnt der Kunden sich online über ein Produkt zu informieren, kann er seine Suche im stationären Handel weiterführen, ohne die Anfragedaten wiederholt kommunizieren zu müssen. Jeder Kanal hat seine speziellen Vorteile, die in der Kombination dem Unternehmen Synergien und dem Konsumenten eine einfachere und koordinierte Nutzung ermöglichen. Zwischen dem Unternehmen und dem Kunden kann ein Dialog entstehen, der sich über den gesamten Kundenlebenszyklus weiterentwickelt. Über die Analyse unterschiedlicher Touchpoints mit dem Kunden entsteht der Vorteil, dass das Unternehmen den Kunden kennen lernen und ihm individuell zugeschnittene Kommunikation und Angebote zukommen lassen kann. Des Weiteren kann die Verknüpfung der einzelnen Kanäle als zusätzlicher Service betrachtet werden. Der Kunde spart Zeit, bekommt optimale Angebote und es kann eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung entwickelt werden. Nicht zuletzt entsteht Kundenloyalität, da die Konsumenten eine Verschmelzung der Kanäle als ein Entgegenkommen des Unternehmens wahrnehmen.
Ein weiteres Beispiel bildet die virtuelle Sortimentserweiterung. Adidas bietet seinen Kunden mit der Virtual Footwear Wall den Zugriff auf ein weit umfassenderes Sortiment an Modellen, die der Kunde sich bequem nach Hause liefern lassen kann.
Die nachfolgende Abbildung fasst die Elemente der Definition zu Cross-Channel-Marketing zusammen.
Omnichannel
Eine weitere Form der Verknüpfung stellt die Omnichannel Strategie dar, welche eine nochmalige Erweiterung des Cross-Channel-Konzeptes beinhaltet. Bei diesem Vertriebssystem existieren verschiedene Absatzkanäle, jedoch nur ein Kontaktpunkt. Die Kunden nehmen beim Kaufprozess (teilweise unbewusst) parallel und gleichzeitig mehrere Kanäle in Anspruch. Ein Treiber dieses Einkaufverhaltens ist die Zunahme der mobilen Internet- und damit verbundene Smartphone-Nutzung. Die Kunden kaufen sowohl im Online-Kanal als auch im Offline-Kanal ein, jedoch existiert eine zentralisierte Kundendatenbank, in der das Kaufverhalten, die Produktauswahl von vorherigen Einkäufen, Touchpoints und andere Kundendaten gespeichert sind und stets aktualisiert werden. Der Kunde nutzt die Möglichkeit sich online zu informieren, während er sich am Point-of-Sale befindet. Dieses Szenario der simultanen Verwendung von Einkaufskanälen zeigt, wie erforderlich es bereits zum jetzigen Zeitpunkt für Händler ist, den Online-Shop mit dem stationären Vertriebskanal zu verbinden. Diese weit fortgeschrittene Form der Verknüpfung von Vertriebskanälen ist derzeit (noch) nicht häufig zu beobachten, da ein großer Aufwand bezüglich der Automatisierung der Abläufe, der Koordination der Logistikkanäle und der Standardisierung von Bestellvorgängen, Warentransport und After-Sales-Service entsteht. Insbesondere für Großunternehmen, die ihre Produkte weltweit vertreiben, ist die Umsetzung des Omni-Channeling aufgrund der vielen einzelnen Prozesse die international über verschiedene Stationen ablaufen, eine Herausforderung.
Die nachfolgende Abbildung fasst die Elemente der Definition zu Omni-Channel-Marketing zusammen.
No-Line
Das No-Line-System repräsentiert die maximale Vernetzung und Integration aller Kanäle und ist somit die stärkste Entwicklungsstufe der kombinierten Einkaufskanäle. No-Line bedeutet, dass es keine Trennung der Online- und Offline-Channel in der Parallelnutzung der Kommunikations- und Vertriebskanäle gibt. Auch in diesem System ist das mobile Internet der wesentliche Bestandteil, um das Funktionieren der Kanal-Vernetzung zu gewährleisten. Der „Mobile-Commerce-Kanal“ bietet dem Kunden und dem Unternehmen verschiedene Zusatznutzen, wie die mobile Navigation direkt in die Filiale. Registrierte Kunden können dabei von technisch gut ausgerüsteten Stores über eine mobile App lokalisiert werden und individualisierte Werbung (mobile Targeting) erhalten, die auf das Konsumentenverhalten zugeschnitten ist. Der Kunde wird über neue Ware informiert und erhält einen Blick ins Regal mit der aktuellen Kollektion. Damit im ldealfall eine Kaufhandlung stattfindet, erhält der Kunde einen Online-Gutschein oder Informationen über verschiedene Kundenbindungs-Maßnahmen, wie beispielsweise zeitlich begrenzte Rabattaktionen im Geschäft, die ihn dann dazu bringen den naheliegenden Store aufzusuchen.
Die nachfolgende Abbildung fasst die Elemente der Definition zur No-Line-Strategie zusammen.
Über die Autoren:
Mahrdt, N. und Prascevic, A.(2014): Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Definition von Multichannel, Cross-Channel, Omnichannel und No-Line. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2014). Wissenschaftsblog für Marketing. Weblink: https://media-economics.de/cross-science/definition-von-multichannel-cross-channel-omnichannel-und-no-line/ (bitte unter Angabe des Abrufdatums zitieren)
Zum Thema dieses Blogbeitrags haben wir auch ein spannendes Seminar:
https://media-economics.de/multichannel/
- Arvato Bertelsmann (2020): Handel im Wandel. Omnichannel Services verständlich erklärt. Link: https://www.arvato-systems.de/loesungen-technologien/loesungen/e-commerce-omnichannel/order-management-aroma/omnichannel-services#accordion-3-33snmx7w7f1sj5wh1lgc2di54
- Bitkom (Hrsg.): Trends im E-Commerce, Konsumverhalten beim Online-Shopping, Berlin 2013
- Emrich, O.: Cross-Channel Management, Kompetenzen, Instrumente und Erfolgspotenziale, St. Gallen 2011
- Handelsverband Deutschland (Hrsg.): E-Commerce-Umsätze, Online-Umsätze steigen 2013 um zwölf Prozent, Umsatz in Mrd. Euro, Berlin 2013, http://www.einzelhandel.de/index.php/presse/zahlenfaktengrafiken/internetunde-commerce/item/110185-e-commerce-umsaetze.html, [17. Januar 2014]
- Heinemann, G.: Der neue Online-Handel, Erfolgsfaktoren und Best Practices, 4. Aufl., Wiesbaden 2012
- Hybris AG: Hybris OmniCommerce für den Handel, Rotkreuz 2014, http://www.the-agile-response.com/de/industry-solutions/retail, [21. Januar 2014]
- Jäger: „No-Line-Commerce“: FirstSpirit verbindet On- und Offline-Kanäle zu grenzenlosen Einkaufserlebnissen, Dortmund 2014, http://www.e-spirit.com/de/news/pressnotes_1/press_releases_detail_31808.html [21. Januar 2014]
- Mahrdt, N.: Die Vernetzung der Touchpoints, Wie komplex ist die Customer Journey?, o.O. 2013, http://de.slideshare.net/barrykoelsch/vortrag-mahrdt-novoinsights2013public, [18. Januar 2014]
- Petznick: Multichannel, Omnichannel, Cross Channel und Co. – Versuch einer Begriffserklärung, Dresden 2013, http://www.kanal-egal.de/multichannel-omnichannel-cross-channel-und-co-versuch-einer-begriffserklaerung/, [17. Januar 2014]
- Rittinger, S.: Cross-Channel Retail Branding, Eine verhaltenswissenschaftliche Untersuchung in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Wiesbaden 2013
- Schmieder, U.: Integrierte Multichannel-Kommunikation im Einzelhandel, Wiesbaden 2010
- Steinmann, S.: Kundenkontakte und Kundenkontaktsequenzen im Multi Channel Marketing, Ausprägungen, Determinanten und Wirkungen, Wiesbaden 2011