Omnichannel-Handel und Bestandsmanagement: eine lösbare Herausforderung trotz Corona

Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Krise wurde dem Einzelhandel nochmals schmerzlich vor Augen geführt, dass es sich lohnt, zusätzlich zum stationären Geschäft – so einträglich es auch mancherorts sein möge – weiteres Online-Umsatzpotential auszuschöpfen. Der Online-Vertrieb gewinnt nochmals neuen Auftrieb – insbesondere in seiner Omnichannel-Ausprägung.

Die mobilen, meist jüngeren Shopper nutzen gerne Smartphones oder Tablets zum Kauf von Kleidung, Sneakers oder Accessoires. Produktvorschläge via Social Media-Accounts oder in Apps der Anbieter sind beliebt und führen immer häufiger zum Kauf. Diese konsumfreudige Zielgruppe erwartet heutzutage aber auch eine flexible und nahtlose Customer Journey mit einer Präsenz des Händlers auf allen wichtigen Kanälen. Damit einher geht die kanalübergreifende Verfügbarkeit aller Informationen, Services und Produkte. Für den Händler eignen sich neben dem eigenen stationären Geschäft zunehmend Online-Shops, Marketplaces oder auch neuerdings Instagram-Shopping zur Realisierung von weiterem Umsatzpotential. Alle für den jeweiligen Verkauf und für den jeweiligen Kanal relevante Daten müssen dafür im Backend zentralisiert und bei Änderungen durchgängig aktualisiert werden. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, ist die Basis für  kundenorientierten Omnichannel-Handel gelegt. Früher oder später kommt dann aber jede(r) Einzelhändler*In an einen Punkt, an dem es Probleme mit aktuellen Bestandsmeldungen gibt. Ein erfolgreicher Omnichannel-Modus erfordert  nämlich kanalübergreifend stets aktuelle Informationen zu den Warenbeständen. Das gilt sowohl für die Belieferung von Filialen (also B2B) als auch für die Erledigung von B2C-Bestellungen. Bei fehlerhaften Bestandsmeldungen können die folgenden Probleme auftreten:

B2B:
Ist zu viel Bestand eines Produkts im System hinterlegt, wird eine Nachbestellung zu spät oder ggf. überhaupt nicht ausgelöst.
Es besteht die Gefahr von Regal-Lücken und Umsatzverlusten.
Wird zu wenig Ware aus dem System gemeldet, werden Bestellungen eventuell zu früh ausgelöst.
Überschüssige Ware könnte dann das Filiallager unnötig blockieren und es entsteht unnötige Zusatzarbeit.

B2C:
Bestellungen von und Auslieferungen an Endverbraucher werden bei ungenauen Bestandsmeldungen möglicherweise gar nicht ausgeführt. Es kommt zu peinlichen Stornierungen beim Endkunden und infolgedessen zu schlechten Bewertungen oder Unmutsäußerungen in Sozialen Netzwerken.

Neben einer kanalübergreifenden Statusanzeige von Beständen sind weitere Statusmeldungen zur Bearbeitung von Bestellungen, zu Preispflege, zu Warenverschiebungen, zu Wareneingängen und zu Kundenbestellungen notwendig.

Click & Collect und Reserve & Collect
Abgesehen von online-affinen jüngeren Zielgruppen nutzen nun auch ältere Kunden verstärkt Omnichannel-Einkaufsmöglichkeiten, um Wege zu sparen und Warteschlangen zu vermeiden.
Click & Collect und Click & Reserve werden mittlerweile von vielen Retail-Ketten angeboten. Kleidungsstücke werden online bestellt oder reserviert und im Geschäft anprobiert.
Oft werden bei der Abholung spontan noch zusätzliche Artikel gekauft. Auch die Lieferung nach Hause ist auf Wunsch möglich. Retailer, die ihren Kunden flexible, auf sie zugeschnittene Möglichkeiten bieten, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Werden Onlineaufträge beispielsweise in einer normalen Filiale kommissioniert, müssen sie in der Nachfrageprognose berücksichtigt werden, die die Disposition dieser Filiale steuert – auch, wenn die Verkaufstransaktionen eigentlich dem Onlinekanal zuzurechnen sind. Notwendige Personalressourcen, um Kommissionierung, Verpackung und Versendung zu organisieren, können ansonsten nicht passend organisiert werden. Mit klug optimiertem Timing der Arbeitsaufgaben in der Filiale lässt sich Personal von der Kasse abziehen und bei geringem Kundenaufkommen auf der Fläche für die Kommissionierung einsetzen. Wer solche Aspekte schon im Voraus einplant, kann exzellenten Kundenservice gewährleisten, während sich die Kosten im Rahmen halten.

Retourenverwaltung
Cross-Channel-Services, wie beispielsweise Click & Collect, Reserve & Collect, Return-to-store, In-store-Order (verlängerte Ladentheke) können einerseits zu ungenauen Bestandsmeldungen, aber auch zu Lieferanten- und Kundenretouren führen. Das frühzeitige Erkennen von Serienfehlern bei Artikeln und die Überprüfung von Lieferanten mit Blick auf Lieferqualität sind wichtige Punkte. Hier kommt es auf leistungsstarke Statistiken, wie Fehllisten, Kostenlisten, Rabattkontroll-Listen und Retourenquoten an, um zu entscheiden, ob vereinbarte Retourenkonditionen ausreichen. Dezentral in der Filiale erfasste Retouren müssen zentral gesammelt, klassifiziert und weiterbearbeitet werden.

CRM
Bei der Analyse und Pflege kanal- und plattformübergreifender Kundendaten und -bewegungen kommt es auf Zielgruppenzuordnung, Bonusabrechnungen, fälschungssichere Gutscheine oder Kundenkarten an.

Preispolitik
Kenntnisse über die Preise pro Filialgruppe, Filiale, Artikel und Größe können ebenfalls wettbewerbsentscheidend sein.
Preise müssen kanalübergreifend effektiv gepflegt werden, d.h. Preisänderungen müssen alle angesprochenen Systeme,
wie z.B. POS und Online-Shop mit einer einzigen Buchung erreichen. Dieses Ziel sollte auch für Aktionspreise gelten.

In Zeiten des Omnichannel-Handels und online verfügbarer Filialbestandsdaten für den Kunden sind Bestandsabweichungen folglich ein echter Wettbewerbsnachteil, können aber durch ein professionelles Vorgehen vermieden werden. Wichtig ist daher ein effektives Real-Time-Bestandsmanagement, um Enttäuschungen zu vermeiden und die Kundenbindung zu stärken. Exakte, zuverlässige und aktuelle Daten, die sämtliche Kanäle einschließen, sind die Basis. Kaufprofile der Stammkunden unter Beachtung des Datenschutzes ergänzen das Programm.

Benötigen Sie Untersützung zu diesem Thema oder Empfehlungen zu den unterschiedlichen Systemen?
Kontaktieren Sie uns gerne hier

Niklas Mahrdt
Media Economics Institut
Juni 2020