Fallstudie zur Digitalen Transformation der Intersport-Gruppe
In unserer Reihe Fallbeispiele stellen wir heute die Case-Study zur Intersport-Gruppe vor. Innerhalb des europa- und weltweiten Sportfachhandels bildet die Intersport-Gruppe nach Decathlon den zweitgrößten Anbieter überhaupt. Da es sich bei Intersport um eine Verbundgruppe und Einkaufsgemeinschaft handelt, unterscheiden sich die Herausforderungen bei der Digitalisierung im Vergleich zu unseren anderen Fallstudien.
Um einen guten Einblick in die Digitale Transformation bei Intersport zu bekommen, haben wir uns für die folgenden Untersuchungskriterien entschieden:
Überblick
Die Intersport Deutschland ist eine Genossenschaft und verfügt über mehr als 900 angeschlossene Mitgliedsunternehmen, die als Verbundgruppe rund 1.500 Sportfachgeschäfte betreiben. Die Händler*Innen betreiben ihre Geschäfte in eigener Regie.
Die stationären Geschäfte müssen einerseits die Erwartungen der Kunden mit Blick auf Sortimentsvielfalt und Warenverfügbarkeit erfüllen, ohne andererseits die verfügbaren finanziellen Ressourcen zu überfordern. Darüber hinaus erwarten insbesondere jüngere Zielgruppen innovative Services und inspirierende Markenerlebnisse in den Stores.
Mit der erklärten Unternehmensstrategie BEST IN SPORTS wird eine konsequente Ausrichtung auf einen attraktiven stationären Handel verfolgt, der eng mit kundenzentriertem E-Commerce und Omnichannel-Services verknüpft ist.
Zielgruppen
Sportinteressierte Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder mit Bedarf an
– Sportbekleidung
– Sportschuhen
– Sportartikeln
über diverse Sportarten mit Interesse an bekannten Marken und Herstellern. Beim Sortiment zählen die Sportdisziplinen Laufsport (Running), Indoor-Fitness, Radsport (Bike), Skisport und Wandern (Outdoor) zu den Schwerpunkten.
Der Online-Umsatzanteil der Sportartikelbranche lag 2021 bei mehr als 30%. Von daher wird natürlich seit längerem auf diejenigen Zielgruppen abgestellt, die online-affin sind und mittlerweile auch gerne im Omnichannel-Modus einkaufen. Dabei spielen Customer-Journey-Analysen eine immer bedeutendere Rolle beim agilen Marketing-Management. Die Unterscheidung von Buyer Personas unter Berücksichtigung unterschiedlicher User Stories bilden die Grundlage, um digitale Marketing-Projekte bei Intersport priorisiert abzuarbeiten.
Wettbewerb
Der Handel mit Sportprodukten findet auf einem dynamischem Markt statt. Zu den gegenwärtig stärksten Wettbewerbern von INTERSPORT zählen:
– Decathlon
– Sportscheck
– Amazon / eBay und das dortige Angebot von Sportprodukten
– spezialisierte Fachgeschäfte und Online-Shops mit Fokus auf eine Sportart
– die Fachhändler der Einkaufsgemeinschaft Sport2000 und der dazugehörige Online-Shop
– Tchibo (mit den Sortimentsbereichen Sportbekleidung und -artikel)
– LIDL / ALDI (mit Aktionsware aus den Bereichen Sportbekleidung und -artikel)
– regionale Sportfachgeschäfte, die nicht Mitglied in Verbundgruppen sind.
Gegenwärtig kommen neue Anbieter wie beispielsweise Peloton oder VAHA hinzu, die mit innovativen Ansätzen und Geschäftsmodellen auf jüngere Zielgruppen abzielen. Es gibt auch im Sportfachhandel immer mehr potentielle Kundschaft, die ihre Sportarten jetzt individueller und lifestyliger angehen wollen.
Zielsetzungen bei der Digitalen Transformation
Die Zielsetzungen der Intersport-Gruppe stehen im Zeichen der voranschreitenden Digitalisierung im Marketing vieler B2C-Branchen:
– Ausbau des Marktplatzes zu einer skalierbaren und kanalübergreifenden Verkaufs- und Datenplattform
– Intensivierung von Datenanalysen als Voraussetzung für kundenindividuellere Angebote
– Professionalisierung hin zu mehr datengetriebenen Entscheidungen (Marketingautomatisierung auf Basis des CRM)
– Steigerung der crossmedialen Attraktivität der Marke INTERSPORT (an allen relevanten Touchpoints)
– Digitalisierung aller relevanten Kundenschnittstellen durch Verzahnung von digitalen und analogen Kanälen
– Ausbau von Serviceleistungen im Omnichannel-Modus (z.B. Click & Collect beim Skiverleih)
– Stärkung der Attraktivität der Exklusivmarken
– Veränderung des Mindsets durch neue agile Arbeitsweisen
– Ausbau der Fort- und Weiterbildung in allen Belangen der Digitalisierung.
– Differenzierung durch überdurchschnittliche Beratung beim Expertenwissen über die Sportarten.
Die Geschäftsführung hat sich auch selbst zu Zielsetzungen bis 2025 geäußert:
– Das Angebot auf intersport.de soll bis 2025 massiv ausgebaut werden: Es soll jedes Jahr um vier Sportarten erweitert werden, die Zahl der Artikel um 300% gesteigert werden. Auch die Besucherzahl soll vervierfacht werden. (Quelle: Textilwirtschaft vom 31.01.22: „Wir haben den Markt outperformt“. Interview von Mara Javorovic mit dem Vorstand.)
Omnichannel-Strategie
Mit der Aufgabe des Omnichannel-Managements soll die Frage beantwortet werden: Wie kommen interessierte Personen schnellstmöglich an das für sie oder ihn relevante Produkt?
In unserer Definition fassen wir Omnichannel (in einer Vorstufe auch als Cross-Channel bezeichnet) wie folgt zusammen: Omnichannel-Marketing ist das Ermöglichen eines kanalübergreifenden Einkaufs, um den Zielgruppen eine größtmögliche Flexibilität und maßgeschneiderte Angebote zu offerieren. Am Ende steht für Kund*Innen eine Zeit- und Kostenersparnis sowie eine umfassendere Sortimentsauswahl.
Innerhalb der Intersport Organisation betreibt die Intersport Digital GmbH („IDG“) die Online-Verkaufsplattform für die angeschlossenen Händler in Deutschland. Die gemeinsame Plattform bietet für sie die Möglichkeit, sich am Online-Handel zu beteiligen. Für die Intersport-Gruppe geht es beim Thema Omnichannel auch um die Anbindung möglichst vieler stationärer Händler an die Intersport-Plattform. Mit diesem Schritt könnte das Verkaufspersonal in immer mehr stationären Geschäften flexibel (z.B. mit Hilfe von Tablets) die Verfügbarkeit einzelner Artikel überprüfen, ohne dafür zur Kasse oder ins Lager gehen zu müssen. Zusätzlich könnte auch auf das gerade nicht im Laden verfügbare Sortiment des Online-Shops zurückgegriffen werden. Die Kund*Innen können flexibel die Einkaufskanäle wechseln, so zum Beispiel mit Click & Meet, Click & Collect, Reserve & Collect, Mobile-Store-Check (Verfügbarkeitsprüfung mit dem Smartphone) und Return-to-Store.
Crossmedia-Ansatz: Einkaufskanäle und Marken-Touchpoints
Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick zu den derzeit genutzen Kanälen und Touchpoints bzw. Werbemaßnahmen:
Der crossmediale Auftritt umfasst sämtliche Kontaktpunkte und Kampagnen der INTERSPORT Gruppe. Zentral dabei sind die stationären Filialen sowie der Online-Shop bzw. Marktplatz. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Markenauftritte in traditionellen Medien (TV , Print, Outdoor) sowie in einer Vielzahl von digitalen Kontaktpunkten, beispielsweise der Blog und die Social Media Accounts mit organischem Content. Im Rahmen der KHP (kooperative Händler-Plattform) wird ein neues Store-Konzept mit innovativen Shopformaten eingeführt. Im Bereich des digitalen Marketing können die Bereiche CRM (App, E-Mail-Newsletter, Kundenclub), Performance Marketing (SEA, Affiliate, Display) und Social-Media (Owned und Paid) unterschieden werden.
Die Herausforderung liegt für Intersport darin, durch Datenanalysen Erkenntnisse über User Journeys zu gewinnen und daraus Umsatzpotentiale zu schaffen, womit das Thema Datenstrategie ins Spiel kommt.
Datenstrategie zur Erreichung von Omnichannel
Intersport pflegt Stamm- und Bewegungsdaten zu jedem eingelagerten und verkauften Produkt. Die Gesamtzahl der SKUs (Stock Keeping Units = gelagerte Artikel) ist über eine Vielzahl von Händlern auf der Plattform naturgemäß sehr hoch. Jede SKU umfasst komplexe Daten, die sowohl das Produkt mit seinen Varianten aufzeigt (z.B. Beschreibung, Größe und Farbe), als auch dessen Standort, Quantität, Einkaufskosten, Margen sowie weitere Variablen wie den aktuellen Lagerbestand. Im Ergebnis erwachsen hieraus mehrere Millionen an Datenobjekten. Weiterhin müssen Produktdaten, Preise und digitale Assets (z.B. Werbemittel) laufend aktualisiert werden. Hinzu kommen große Mengen an Lieferantendaten, die mit den bestehenden PIM-, DAM-, Marketing- und Fulfillment-Systemen zusammengeführt und häufig noch angereichert werden müssen. Erst wenn sich all diese Vorgänge eingespielt haben, kann die E-Commerce-Plattform von Intersport als Herzstück eines erfolgreichen Omnichannel-Unternehmens funktionieren.
Eine weitere Omnichannel Herausforderung liegt in der Sicherstellung eines automatischen Datenflusses zwischen den ERP-Systemen der Lieferanten und dem PIM von Intersport. Das Ziel besteht darin, dass neue Produkte oder Veränderungen bei bestehenden Produkte für die Verbraucher sofort sichtbar werden. Durch ein professionelles DAM (Digital Asset Management) vereinfacht sich die Erstellung laufender Marketingaktivitäten von INTERSPORT, wie zum Beispiel die Distribution von Printkatalogen oder von Prospektbeilagen für Zeitungen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, mit Hilfe von Datenintelligenz im Kundenclub möglichst viele Kund*Innen mittels relevanter und personalisierter Angebote zu Stammkund*Innen zu machen. Im Ergebnis steigt deren Kauffrequenz und der damit verbundene durchschnittliche Einkaufswert.
Intersport sollte die datengetriebenen Prozesse weiter ausbauen. Die konzeptionelle Verarbeitung unterschiedlichster Daten in einem zentralen Data Warehouse könnte die Komplexität reduzieren. Aus den gewonnenen Insights dieses holistischen Ansatzes könnten dann zielgerichtete Strategien und Maßnahmen abgeleitet werden.
Niklas Mahrdt
April 2022
Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
Mahrdt, Niklas (2022): Fallstudie zur Digitalen Transformation der Intersport-Gruppe. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2022). Wissenschaftsblog für Digitales & Marketing. Weblink: https://media-economics.de/cross-science/fallstudie-zur-digitalen-transformation-der-intersport-gruppe/ (bitte unter Angabe des Versionsdatums zitieren)
URLs:
https://www.intersport.de (Deutschland)
https://www.intersport.com (International)
Quellen:
Presseinformationen der Intersport Deutschland
https://www.contentserv.com/de/customer-stories/intersport-case-study
https://www.textilwirtschaft.de/business/sports/die-intersport-spitze-im-tw-gespraech-wir-haben-den-markt-outperformt-234427
https://www.ispo.com/unternehmen/intersport-auf-dem-weg-zum-omni-channel-haendler
https://de.wikipedia.org/wiki/Intersport
https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2020/25_06_2020_Intersport.html
https://www.textilwirtschaft.de/business/sports/zuwaechse-in-teils-exotischen-kategorien-intersport-starkes-online-wachstum-mit-neuen-kunden-225277
https://www.textilwirtschaft.de/business/sports/premiere-in-essen-neue-intersport-filiale-bringt-intersport-ci-erstmals-auf-die-flaeche-234908
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/verbundgruppen-wie-intersport-rewe-und-co-gegen-die-uebermacht-von-amazon-kaempfen/23180180.html
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/insolvenz-sportkette-voswinkel-kaempft-ums-ueberleben/24252654.html