Untersuchung der Customer Journey mit Touchpoint-Analysen
Der Begriff „Customer Journey“ bezeichnet die Reise eines potenziellen Kunden über unterschiedliche Kontaktpunkte mit einer Marke, einem Produkt oder einem Unternehmen bis er eine gewünschte Zielhandlung durchführt.
Eine Customer Journey kann sich über mehrere Stunden, Tage oder Wochen erstrecken. Gängige Zielhandlungen sind Interaktionen, Anfragen, Käufe oder Bestellungen. Die Customer Journey dient als ein wichtiges Analyse-Instrument, um Rückschlüsse auf das Kaufverhalten des Konsumenten ziehen zu können. Sie repräsentiert den Weg des Kunden während des Informations- und Kaufprozesses über alle möglichen Touchpoints, über die er mit dem Unternehmen in Kontakt tritt. Als Touchpoints kommen sowohl Werbemittel-Kontaktpunkte, Online- und Mobile Vertriebskanäle als auch der stationäre PoS verbunden mit einer direkten, persönlichen Kommunikation zwischen dem Konsumenten und dem Unternehmen in Frage.
Die nachfolgende Abbildung zeigt beispielhaft die Verläufe von insgesamt sechs nachgezeichneten Customer Journeys auf. Jede dieser in „U-Bahn-Linien-Manier“ eingezeichnete Journey basiert auf einem Studienergebnis. So ist zum Beispiel die Touchpoint-Strecke ausgehend von TV-SPOT -> SUCHMASCHINE -> ONLINE-SHOP -> … durch eine gemeinsame Studie von tns Infratest und BDVW aus dem Jahr 2010 empirisch belegt.
Die Customer Journey unterteilt sich als Analyse-Tool in drei Phasen: Die erste Phase wird Kaufvorbereitung genannt und beginnt mit einem Impuls – zum Beispiel durch einen konkreten Bedarf bzw. ein Bedürfnis – oder mit einem Markenkontakt. Im Anschluss erfolgt die Recherche, um detailliertere Informationen über das Produkt zu erhalten sowie eine mögliche Beratung am Point of Sale oder im Internet und schließlich die Prüfung der Verfügbarkeit der Ware. Die darauf folgende Phase wird als Transaktionsphase bezeichnet, die den Kaufabschluss, die Zahlung, den Lieferstatus und die Auslieferung der Ware beinhaltet. Die dritte Phase, die sogenannte Servicephase, unterteilt sich in die mögliche Retoure oder Reklamation des Produkts sowie den After-Sales-Service und das Kundenbindungsmanagement.
Innerhalb dieser Phasen springt der Kunde gewöhnlich zwischen den verschiedenen Kanälen hin und her (Channel Hopping und Smart Shopping), wobei der Konsument denjenigen Kanal wählt, der ihm für seine Tätigkeit am besten geeignet erscheint. Dadurch ergibt sich für ein Unternehmen der Vorteil, dass der Kunde über unterschiedliche Kommunikationsmßnahmen und Vertriebskanäle erreicht werden kann.
Jedes Unternehmen kann die möglichen Customer Journeys der eigenen Kunden analysieren und dadurch alle möglichen Touchpoints im Rahmen des Kaufprozesses zwischen dem Kunden und dem Unternehmen analysieren. Auf Basis dieser Informationen kann festgestellt werden, welche Touchpoints in welcher Abfolge für den Konsumenten von größerer Bedeutung sind und auf welcher Stufe bzw. bei welchem Touchpoint er effektiv erreicht werden kann.
Unternehmen, die eine eigene Analyse der typischen Customer-Journey-Verläufe heranziehen wollen, müssen eine Analyse sämtlicher Kontaktpunkte (Touchpoints) in Form von umfangreichen und kanalübergreifenden Datensammlungen vornehmen. Auf Grundlage der daraus gewonnenen Erkenntnisse lassen sich beispielsweise Kaufentscheidungsprozesse im Kopf des Kunden nachvollziehen sowie Werbebudgets optimieren oder die finanzielle Ausstattung einzelner Vertriebskanäle besser begründen. Die Untersuchungen entlang der verschiedenen Kontaktpunkte soll Klarheit darüber bringen, welches Werbemittel und welcher Vertriebskanal welchen Beitrag zum letztendlichen Kaufabschluss geleistet haben. Die nachfolgende Abbildung fasst die greifbaren wirtschaftlichen Vorteile einer Customer-Journey-Analyse zusammen.
Aufgrund der kritischen Betrachtungsweise der einzelnen Touchpoints können fundierte Entscheidungen bezüglich notwendiger Investitionen und Aktivitäten getroffen werden. Im Ergebnis einer kontinuierlichen Customer-Journey-Optimierung können folgende positive Effekte eintreten:
- Erhöhung der Konversionsraten (CR)
- Steigerung des Durchschnittsumsatz pro Kunden (ARPU)
- Erhöhung des Wirkungsgrads eingesetzter Werbemaßnahmen (3)
- Förderung von viralen Effekten (Word-of-Mouth und Word-of-Mouse)
- Einsparungen im Bereich externer Marktforschung
- Erkenntnissgewinn und Customer Insights aus einer Vielzahl von Daten (Big Data) (4)
Derzeit bestehen aber auch noch ungelöste Probleme angesichts des Ziels einer lückenlosen Analyse der Customer Journey:
- Unterbrechungen aufgrund „Alltags“-Multitasking
- Device-Wechsel zwischen internetfähigen Endgeräten (Notebook, Smartphone, Tablet, Playstation, Ebook-Reader)
- parallele Mediennutzung (First Screen, Second Screen, Third Screen)
- Tracking von TV, von Print-Anzeigen oder von Outdoor-Kontakten.
Die Kunden fallen also teilweise auf einer Stufe der Customer Journey raus und kommen zu einem späterem Zeitpunkt mit einem anderem Device über einen anderen Touchpoint wieder rein. Für dieses Problem zeichnen sich aber mittelfristig Lösungsansätze ab.
Stand der Forschung
Anlass für diesen Beitrag über die Customer Journey einschließlich Touchpoint-Analysen war die derzeit in Wissenschaft und Praxis stattfindende Auseinandersetzung, in welcher Intensität und Fristigkeit eine sinnvolle Vernetzung der Vertriebskanäle in Verbindung mit dafür notwendigen Investitionen stattfinden sollte.
Eine Forschungsrichtung, der ich mich mit diesem Beitrag anschließe, verfolgt die Hypothese, dass eine aktiv betriebene Vernetzung bestehender (z. B. stationärer) mit neu hinzugekommenen Vertriebskanälen (also z.B. Online und ggf. Mobile) zu einer mittel- und langfristig höheren Wettbewerbsfähigkeit von Handelsunternehmen führt, weil die Kunden aufgrund der immer stärkeren Online- und Mobile Mediennutzung ihr Kaufverhalten auf den möglichen und bequemen Wechsel zwischen Vertriebskanälen ausrichten werden. Diejenigen Unternehmen, die den Kanalwechsel von Kunden aufgrund bereits erfolgter Vernetzung zulassen, werden ihren Marktanteil verteidigen oder sogar Marktanteile zugewinnen können. Studien, die diesem Ansatz folgen, haben nachgewiesen, dass Kunden, die ihre Käufe in einem Vertriebskanal (z.B dem stationären PoS) abschließen, diesen Kaufakt zuvor durch eine Recherche in einem anderen Vertriebskanal (z.B. Online) vorbereitet haben (z.B. die Forschungsergebnisse des ECC Köln). Weitere Studien (z.B. die Forschungsergebnisse von Prof. Gerrit Heinemann) konnten belegen, dass Kunden einem kanalintegrierten Unternehmen auch bei höheren Preisen im stationären Kanal treu bleiben, sofern der kanalübergreifende Service ausreichend kommuniziert und gewährleistet ist.
Eine entgegen gesetzte Forschungsrichtung verfolgt die Hypothese, dass es bei einem optimalen Cross-Channel-Marketing zunächst darum gehen muss, Exzellenz vorrangig in einem gewachsenen, bestehenden Vertriebskanal zu erreichen, da die Kunden ein optimal kanalintegriertes Unternehmen nicht durch Loyalität belohnen. Kostspielige Investitionen von primär stationär operierenden Handelsunternehmen in einen Online-Vertriebskanal könnten die preis-induzierte Abwanderung von Kunden zu anderen Anbietern ins Internet nicht verhindern. Studien, die diesem Ansatz folgen, haben nachgewiesen, dass es keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung von Kunden hat, die gerade in einem Vertriebskanal des Unternehmens aktiv sind, ob weitere Vertriebskanäle existieren. Kunden, deren Kaufverhalten primär preisgesteuert ist, wandern ohnehin zum günstigsten Unternehmen stationär oder online ab, unabhängig davon, ob es sich um kanalintegrierte Unternehmen handelt, oder nicht.
(1) Vgl. Mahrdt, Niklas (2012): Cross Channel Roadmap. Infografik und Dokumentation. Erhältlich unter https://media-economics.de/produkt/cross-channel-roadmap/
(3) Wenn ein Kunde zum Beispiel viele unterschiedliche Kanäle bzw. Touchpoints nutzt, jedoch im Ergebnis immer nur im Online-Shop einkauft, kann ein Unternehmen diesem Kunden spezifische Touchpoints anbieten, die die Wahrscheinlichkeit einer Transaktion in diesem Kanal erhöht. (zum Beispiel die Übersendung eines Rabatt-Coupon, der im Online-Shop eingelöst werden kann. Die Übersendung von PoS-Werbemaßnahmen (z.B. Gutscheinen) ist dann ggf. für diesen Kunden nicht notwendig und kann eingespart werden.
(4) Ein Unternehmen stellt fest, dass ein Kunde in der „Payment-Phase“ bei einer bestimmten Zahlungsmethode immer eine schlechte Zahlungsmoral anbietet. Das Unternehmen kann durch Big Data-Analyse diese Zahlungsmethode sperren.
Mahrdt, Niklas (2014): Untersuchung der Customer Journey mit Touchpoint-Analysen. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2014). Wissenschaftsblog für Marketing. Weblink: https://media-economics.de/cross-science/untersuchung-der-customer-journey-mit-touchpoint-analysen/ (bitte unter Angabe des Abrufdatums zitieren)