Fallstudie zur Digitalen Transformation von OBI
OBI ist ein führender Baumarktkonzern und mittlerweile in 10 europäischen Ländern vertreten. Das Unternehmen wurde 1970 in Deutschland gegründet und hat sich seitdem zu einer der größten Baumarkt-Ketten Europas entwickelt. Warum eine Fallstudie zu OBI? OBI eignet sich als Fallbeispiel, da es einerseits als Unternehmen dynamisch und innovationsorientiert aufgestellt ist. Andererseits wird es gegenwärtig mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen Krisen, wie die Störungen der Lieferketten durch Pandemien und Kriege, die Inflation, der Umbau des deutschen Energiesektors, der Fachkräftemangel und natürlich die Digitale Transformation. Letztere ausgelöst durch eine veränderte Mediennutzung von Smartphone-nutzenden Zielgruppen. Wie reagiert das Management von OBI auf diese Komplexität?
Unternehmensbeschreibung
Das Angebot von OBI umfasst Produkte und Serviceangebote für die Bereiche Heimwerken, Bauen und Garten. OBI’s Claim lautet:“We enable you to create your home & garden.“ und zielt auf die Befähigung der Zielgruppe ab, ihr Zuhause nach eigenen Vorstellungen, Möglichkeiten und DIY-Kenntnissen umzusetzen.
OBI operiert als ein Franchise-System, so daß OBI Märkte teilweise auch von selbständigen Franchise-Nehmer*Innen betrieben werden. Obi kann daher durch teils eigengeführte, teils franchisegeführte Filialen weiter wachsen.
Vor kurzem gab OBI-CEO Dr. Sebastian Gundel in einem Podcast spannende Einblicke: der größte Franchise-Partner von OBI betreibt 15 Märkte. Der durchschnittliche Umsatz eines Baumarkt-Standorts liegt bei rund 10 Mio. € Umsatz. Die durchschnittliche Quadratmeterzahl liegt bei 8.500 qm und die durchschnittliche Mitarbeiter-Anzahl eines Baumarkt-Standorts liegt bei 60. Die am häufigsten bestellten Produkte sind Umzugskartons und Pflastersteine. Die Obi-Eigenmarken machen bereits 30% vom Umsatz aus. Weitere Fakten finden sich in der nachfolgenden Tabelle.
Kriterien | Informationen |
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Branche | DIY Branche Markt für Heimwerker- und Gartenbedarf (englisch: Home & Garden) |
Firma /URL | OBI Heimwerkermärkte OBI Group Holding SE & Co. KGaA www.obi.de |
Zielgruppen | Zu den typischen B2C-Zielgruppen zählen sogenannte Projektkund*Innen, die ein bestimmtes Renovierungs-, Neu- oder Ausbauprojekt im Bereich von Haus, Wohnung und/oder Garten durchführen möchten. Aus dem Segment B2B kommen kleine und mittlere Profi-HandwerkerInnen, die für betriebliche Kundenprojekte meist häufiger und dann auch in größeren Mengen mit Rabatt einkaufen. |
Daten zu OBI (Stand: 08/2023) | 43.000 Mitarbeitende 646 Standorte in 10 Ländern 350 Märkte in Deutschland als Kernmarkt ca. 10 Mio. Kund*Innen 8,7 Milliarden Euro Gesamtumsatz weltweit im Geschäftsjahr 2022 |
Wettbewerb
Die DIY-Branche gilt in Deutschland als großer aber auch gesättigter Markt. In der nachfolgenden Abbildung sind die sechs bekanntesten Baumarktgruppen aufgeführt, deren Deutschland-Umsatz sich im mehrstelligen Milliarden-Bereich bewegt. OBI und BAUHAUS liegen gleichauf an erster Stelle. Der Wettbewerb bleibt weiterhin intensiv und dynamisch.
Ein weiterer Wettbewerbsfaktor ist die sogenannte Flächenproduktivität. Diese misst, wieviel Produktverkäufe bzw. Umsatz innerhalb eines Jahres auf einem Quadratmeter Verkaufsfläche in einem stationären Baumarkt realisiert werden. Hier führt der Wettbewerber HORNBACH deutlich vor OBI und BAUHAUS.
Sortiment
Ein Baumarkt-Sortiment besteht aus einer Vielzahl von Kategorien, Warengruppen, Produkten und Artikeln und gilt als logistisch anspruchsvoll und im Einkauf komplex. Daraus resultiert dann eine ebenso beachtliche Anzahl an Marken und Herstellern. Die Sortimentsgröße eines Baumarkt-Standorts kann zwischen 40.000 und 60.000 Artikel liegen, je nach Größe des Filialstandorts. Das Kern-Sortiment umfasst 30.000 Produktartikel. Die nachfolgende Abbildung zeigt das Vollsortiment eines typischen Baumarktes und umfasst in der Regel alle Warengruppen des Bau-, Heimwerker-, und Gartenbedarfs.
Wichtige Überlegungen zum Sortiment kreisen bei OBI in der Regel um die folgenden Fragen:
(1) Welche Produkte gibt es vor Ort im stationären Baumarkt, welche nur online bzw. im Omnichannel-Modus?
Ausgewählte Schnelldreher sollen bei Obi im Rahmen des „Core-in-Store“-Konzepts in größeren Mengen in den stationären Baumärkten vorgehalten werden. Langsamdreher, wie beispielsweise Varianten von Gartenmöbel-Produkten, werden bei OBI künftig primär über den Online-Shop angeboten und nach Möglichkeit direkt vom Lieferanten zugestellt (Drop Shipping).
(2) Für welche Warengruppen und Produkte bietet sich das Angebot einer Eigenmarke an?
Eigenmarken können mit mehr Gewinn verkauft werden. Die Unternehmensleitung von OBI überlegt daher auch immer wieder, für welche Kategorien bzw. Warengruppen der Launch von Eigenmarken sinnvoll sein könnte. Eigenmarken bei OBI gibt es zum Beispiel bei Gartenmöbeln, Farbenzubehör oder auch bei elektrischen Maschinen. Die Entscheidung zwischen Eigenmarken und Fremdmarken hängt auch davon ab, ob im intensiven Baumarkt-Wettbewerb bei bestimmten Produkten tiefere Preiseinstiegs-Punkte gesetzt werden sollen, die dann in der Folge die Konkurrenz unter Preisdruck setzen.
OBI bietet ergänzend auch Dienstleistungen / Services an. Hierzu zählen:
– Services zu Handwerkern (Vermittlung geeigneter Handwerksbetriebe)
– Services im Markt (Farbmischung, Holzzuschnitt, Geräteverleih, Transporterverleih)
Ziele
Die Ziele von OBI mit Blick auf die Digitale Transformation sind die folgenden:
– Weitere Steigerung von Umsatz, Gewinn und Marktanteil
– Steigerung der stationären Lauffrequenz
– Steigerung von Visits, PIs und Conversions im Online-Shop
– Datengetriebene Customer Journey-Optimierung durch Omnichannel-Einkaufserlebnisse
– Maximierung des Customer Lifetime Values (CLV)
– Optimierung des Einkaufs und Bevorratung relevanter Sortimente
– Ausbau der Reichweiten in Social Media.
Omnichannel-Marketing-Strategie
Omnichannel-Marketing ist eine Strategie, die darauf abzielt, reibungslose kanalübergreifende Einkaufserlebnisse zu bieten. Bei Baumärkten geht es darum, Kund*Innen zu ermöglichen, über die verschiedenen Phasen eines Projektes hinweg zwischen verschiedenen Kanälen (stationär – online – mobile) wechseln zu können. Zum Beispiel während die Kunden Produkte recherchieren und anpassen oder Dienstleistungen aus dem Baumarkt buchen. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob Kund*Innen zu Hause, in einem Baumarkt oder irgendwo unterwegs auf der Baustelle sind. Nahezu alle Baumarktketten arbeiten daran, Omnichannel-Prozesse im eigenen Geschäftsmodell umzusetzen. Die seit langem mit Smartphone und Notebook ausgestatteten Baumarktkund*Innen wünschen sich von ihrem Baumarkt dabei weitgehende Flexibilität. Vor-Recherchieren, Projekt-Entscheidungen vorbereiten und jederzeit 24/7 online bzw. mobil einkaufen oder auch im stationären OBI-Store online vorbestellte Produkte abholen sollen ein reibungsloses Shopping-Erlebnis bieten.
Hier sind einige Beispiele und Varianten:
Online-Vorab-Recherche
Baumarkt-Probleme zählen zu den meist-gegoogelten Inhalten, wenn es darum geht, konkrete Antworten auf bevorstehende Herausforderungen der Kund*Innen zu finden. 50% der Kunden betreiben infolge der Google-Recherche dann eine Online-Vorrecherche im OBI-Online-Shop oder in der nativen App. Voraussetzung dafür ist, dass OBI bei sämtlichen relevanten Keywords sowohl mit bezahlten Werbeflächen (Google Ads und Google-Shopping) als auch mit organischem relevanten Content auf Suchmaschinen-Ergebnisseiten gut sichtbar ist.
Reserve & Collect: Hierbei findet eine Recherche im Online-Shop oder in der HeyOBI-App statt mit der Möglichkeit einer Verfügbarkeitsprüfung, Reservierung und einer anschließenden Filialabholung. Kund*Innen können Produkte online reservieren, um sicherzustellen, dass diese auch garantiert beim Filialbesuch vorhanden sind. In der selbstgewählten (nahegelegenen) Filiale können die Produkte dann besichtigt, gekauft und ggf. mitgenommen werden. Dies ermöglicht es Kunden, die Bequemlichkeit des Online-Shoppings mit der sofortigen Verfügbarkeit von Produkten in der Filiale zu kombinieren.
Click & Collect: Ähnlich wie beim vorherigen Service können Kunden Produkte online auswählen, bezahlen diese aber dann vorab online und holen die Bestellung in der entsprechenden Abteilung in der Filiale ab.
Curbside Pickup: Dieser Vorgang ist eine Variante der vorherigen, jedoch können die Kunden in diesem Fall aufgrund der Größe & Sperrigkeit der Bestellung mit dem Auto oder einem angemieteten Transporter direkt in einen separaten Abholbereich einfahren und die Produkte ins Auto laden. Zum Beispiel in der Fliesen-Arena bei einer Palette Fliesen oder einer Küchen-Arbeitsplatte in einem speziell dafür vorgesehenen Abholbereich. Die Festlegung eines Zeitraums oder einer konkreten Uhrzeit reduziert Wartezeiten und macht den Abholprozess effizienter.
In-Store-Bestellung: Wenn ein Produkt in der Filiale nicht vorrätig ist, können Kunden es dennoch durch das Personal oder Selbstbedienungsterminals bestellen und nach Hause liefern lassen oder für eine spätere Abholung in der Filiale reservieren.
Mobile App-Bestellungen: Baumärkte können eine mobile App bereitstellen, über die Kunden Produkte kaufen und bezahlen können. Die App ermöglicht es den Kunden auch, digitale Einkaufslisten zu erstellen und ihren Bestellstatus zu verfolgen. In der HeyObi-App ist sogar eine In-Store-Navigation enthalten, über die der Weg in die gesuchte Abteilung vereinfacht wird.
Quick Commerce / Same-Hour-Delivery: in diesem Fall befindet sich der Kunde direkt auf der Baustelle und stellt fest, dass zum Beispiel die Farbe nicht reicht. Er nutzt dann zum Beispiel die App, bestellt die Farbe nach und bucht einen externen Zustellservice (wie zum Beispiel Homeride, Flink oder Getir), der die Lieferung zur Baustelle innerhalb von 60-120 Minuten sicherstellt.
Diese Services können entscheidende Wettbewerbsvorteile für den omnichannel-orientierten Baumarkt bilden. So erreicht die US-amerikanische Baumarkt-Kette „The Home Depot“ bereits ein Vor-Ort-Fulfilment-Quote von 45% gemessen an allen Online-Bestellungen.**
Die Omnichannel-Services ermöglichen es Baumärkten, bei reibungsloser Abwicklung eine engere Bindung zwischen dem Kunden und OBI aufzubauen und die Kundenzufriedenheit und -loyalität zu verbessern. Die Umsetzung dieser Services ist jedoch auch komplex, investitions- und kostenintensiv und erfordert viele Schulungen und Trainings für die Belegschaft.
Crossmedia und Content-Strategie
OBI ist nach einer Studie von Splendid Research*** die bekannteste deutsche Baumarkt-Marke. Dieser Erfolg kommt nicht zufällig. OBI macht mit Blick auf seinen crossmedialen Markenauftritt vieles richtig. Die prägenden Merkmale der Marke sind hier kurz abgebildet:
Um aber dauerhaft Erfolg in der heutigen Aufmerksamkeits-Ökonomie zu haben, kommt es für OBI künftig auf 4 wichtige Erfolgsfaktoren an:
– Sichtbarkeit auf möglichst vielen Kanälen bzw. Touchpoints
– Relevanz der werblichen Inhalte für die Zielgruppen
– Einfacher und responsiver Zugang zu den Inhalten
– Wiedererkennbarkeit durch ein ansprechendes Corporate Design.
Die nachfolgende Abbildung skizziert, wie breit und vielseitig OBI hier aufgestellt ist.
Eine der wichtigen Aufgaben im Marketing besteht nun darin, die vielen Touchpoints in erfolgreiche Customer Journeys zu kanalisieren, die dann zu Umsatz und Transaktionen in den stationären Märkten und im Online-Shop führen sollen. Dafür werden sogenannte Buyer Personas gebildet und jeder Buyer Persona werden Customer Journeys zugeordnet. Auf Basis kontinuierlicher Datensammlung können nach und nach erfolgreiche Journeys identifiziert werden.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor beim crossmedialen Content-Marketing liegt bei OBI darin, agil Content-Ideen zu generieren, dazu zügig Inhalte in einer Grundversion zu erstellen und dann mehrfach in unterschiedlichen Storytelling-Varianten, Formaten und Kontexten auszuspielen.
Mit diesem Vorgehen ist OBI auch auf Sozialen Netzwerken erfolgreich. Die Social Media Strategie des OBI Baumarkts ist darauf ausgerichtet, die Marke zu stärken, Kunden zu erreichen, zu inspirieren und zu binden sowie Neukunden zu gewinnen. Die Kanäle werden zur Ansprache von Zielgruppen genutzt, die sich nach Alter, Präferenzen und Social Media-Nutzungsmustern unterscheiden. Die Inhalte umfassen Neuigkeiten und Angebote, LifeHacks und Tutorials rund um Heimwerken und Gartenarbeit sowie Spaß & Unterhaltung. Video-Formate in unterschiedlichen Längen gewinnen weiter an Bedeutung, um Tutorials für Heimwerker-Projekte zu geben, Produktvorstellungen zu machen und Interviews mit Experten zu führen. Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass OBI sehr breit und vielfältig auf Social Media unterwegs ist und auf Instagram & YouTube sogar mit jeweils zwei Accounts vertreten ist.
Die Abbildung fasst zusammen, wie OBI die verschiedenen Social Media Plattformen für unterschiedliche Marketing-Zielsetzungen nutzt.
Retail Media
Retail Media bedeutet, Marken und Produkte dort zu präsentieren, wo ihre Relevanz, Wahrnehmbarkeit und Akzeptanz hoch, ihr Weg zum Kunden sehr kurz und ihr Kontext am natürlichsten sind. (Quelle: Definition des RMC Retail Media Circle des BVDW). Obi bietet seinen Herstellern bzw. Marken über seine OBI First Media Group spezielle Paid-Media-Werbeflächen im Online-Shop oder in seinen stationären Märkten an. Dort haben die Marken die Möglichkeit, sich dem Kunden sichtbar und in einer Bedarfssituation zu präsentieren.
Datenstrategie
Wie die meisten Unternehmen zielt auch OBI darauf ab, First-Party-Data zu erheben. Dabei ist es für OBI entscheidend, welche Daten für das eigene Geschäftsmodell entscheidend sind.
Aus den Geschäftszielen lässt sich relativ einfach ableiten, welche Daten benötigt werden. Je nach Geschäftszweck könnten das etwa Daten zu effektiven Customer Journeys, zur Mediennutzung der Zielgruppe, zur Einkaufshistorie oder soziodemografische Daten sein. Den höchsten Stellenwert haben in der Regel die Daten, die für die bislang erfolgreichsten Marketing-Maßnahmen benötigt werden. Um möglichst viele KundInnen in das heyOBI-Loyalty-Programm zu bewegen, werden finanzielle Benefits (Rabatte) angeboten. Der Erfolg des heyOBI-Loyalty-Programms im Rahmen der heyOBI-App ermöglicht im Anschluss eine kontinuierliche Ausweitung personalisierter Angebote. Konkret wird so verfahren, dass KundInnen, die sich für ein Kundenkonto oder einen Newsletter anmelden oder die heyOBI-App installieren, personalisierte Angebote, Hinweise zu Rabatt-Aktionen und individuelle Benachrichtigungen erhalten, die auf ihre Einkaufsgewohnheiten und Präferenzen zugeschnitten sind. Damit können Konversionsraten gemessen und auch gesteigert werden. OBI muss dabei allerdings die Kosten und den Aufwand des Kundenbindungsprogramms im Blick behalten und mit den Zusatzumsätzen aus den CRM-Programmen abwägen.
Tech Stack und Marketing Tools
E-Commerce: SAP Commerce Cloud
A/B-Testing & Personalisierung: Kameleoon
Tracking 1st Party Daten: Mapp (ehemals Webtrekk)
„Mouse“/Click Tracking: Hotjar
Quelle: https://builtwith.com/obi.de
Perspektivisch sind folgende Baustellen auf der Agenda:
Virtuelle Beratung: Baumärkte könnten Video- oder Chat-basierte Beratungsdienste anbieten, bei denen Kunden Fragen stellen und Empfehlungen zu Produkten oder Projekten erhalten können, ohne physisch in die Filiale zu gehen.
Augmented Reality (AR) für die Produktauswahl: Kunden können AR-Technologie nutzen, um Produkte virtuell in ihrer eigenen Umgebung zu visualisieren, was ihnen bei der Kaufentscheidung hilft, insbesondere bei großen, teuren oder komplexen Artikeln.
Niklas Mahrdt
Oktober 2023