Fallstudie zur D2C-Strategie von MR MARVIS
In unserer Reihe Fallbeispiele stellen wir heute die Case Study zu MR MARVIS vor. Das 2016 gegründete Modeunternehmen aus Amsterdam bildet ein gutes Beispiel für die Direct-to-Consumer-Strategie (D2C).
Mit diesem Ansatz zielen Hersteller oder Marken darauf ab, eine Zielgruppe via Online Marketing und Social Media ohne Zwischenhändler bzw. ohne den Fachhandel direkt zu erreichen und zu binden. Direct-to-Consumer wird immer erfolgreicher, denn mit der Pandemie hat sich die massive Verschiebung von Umsatz in digitale und soziale Verkaufskanäle beschleunigt. MR MARVIS bildet einen interessanten Case zur Beantwortung der folgenden Frage: Welche Erfolgsfaktoren gibt es beim Start einer neuen Modemarke mit der D2C-Strategie auf einem gesättigten Markt?
Heutzutage ist es eine echte Herausforderung, ein Unternehmen erfolgreich auf dem eigentlich gesättigten Modemarkt zu gründen und eine neue Modemarke dauerhaft zu etablieren. MR MARVIS scheint das mit seiner logischen Strategie gelungen zu sein. Werfen wir einen Blick auf die Eckdaten des Unternehmens:
Ziel: Skalierbares Wachstum in einer Nische
Ziel einer D2C-Strategie ist es, Zielgruppen direkt anzusprechen und sie UX-optimiert an relevanten Kontaktpunkten bzw. Touchpoints zu aktivieren. Eine weiteres Ziel besteht in der Skalierung der Umsätze mit Hilfe von Daten. Wichtige Grundlage dafür ist ein nahezu perfekt umgesetzter Online-Shop.
Ein Erfolgsfaktor bei der Gründung von MR MARVIS war die Auswahl eines deutlich abgrenzbaren Teilmarktes sowie die klare und einfache Lösung eines dort vorhandenen Konsumentenproblems. So adressiert MR MARVIS das Passformproblem im Bereich des Segments Männerhosen. Weiterhin wird auf den multifunktionalen Nutzen der Hose sowohl in der Freizeit als auch im Business-Kontext abgezielt.
Prozesse: alles unter eigener Kontrolle
D2C-Anbieter zielen darauf ab, alle Prozesse selbst zu steuern: über den gesamten Herstell- und Verkaufsprozess angefangen von der Markenentwicklung und -führung über die Produktherstellung, das Packaging bis hin zur crossmedialen Kommunikation in allen digitalen und sozialen Kanälen. MR MARVIS lässt seine Produkte in Portugal (Nähe Porto) in Handarbeit herstellen und steuert den Verkauf über den eigenen Online-Shop und die beiden stationären Stores. Auch das Thema Kundenservice wird selbst bearbeitet.
Geschäftsmodell: Klare Priorität beim Online-Shop ergänzt durch Filialen
Zwar wurden viele D2C-Brands in den letzten Jahren zunächst als pure Internet Player gegründet, diese eröffneten aber zunehmend auch physische Geschäfte, wie beispielsweise Peloton oder der Matratzenhersteller EMMA. Die Direct-to-Consumer-Strategie ist also nicht nur auf E-Commerce begrenzt. D2C konzentriert sich auf vielmehr Vertriebskanäle, die eine direkte Kundenbeziehung umfassen. Das kann neben einem Webshop oder Markplatz auch ein lokaler Laden, ein Pop-Up-Store oder auch ein Instagram-Shop sein. Bei MR MARVIS steht der international auf mehrere europäische Länder ausgerichtete und cross-device optimierte Online-Shop klar im Mittelpunkt. Bislang existieren zwei stationäre Filialen in Amsterdam und Antwerpen.
Internationalisierung: Europaweite Expansion nach erfolgreichen Online-Tests
Der Online-Shop von MR MARVIS weist bislang insgesamt sieben Zielmärkte aus, darunter den Heimatmarkt die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien und Dänemark. Die Eröffnung neuer stationärer Stores in europäische Länder kann auf Basis des Erfolgs in bereits bestehenden Online-Ländermärkten getestet und entschieden werden.
Wettbewerb
Zu den Wettbewerbern im Marktsegment zählen Shaping New Tomorrow, REPLAY Hyper und L’Estrange London.
Social Media- und Content-Strategie
Paid Media: MR MARVIS investiert (sichtbar) in Paid Media. Mit herausragenden, visuell catchigen Social Ads als Impuls werden Neukunden via Instagram und Facebook angesprochen und auf Call-to-Action-Landingpages oder direkt in den Online-Shop geleitet.
Owned Media: MR MARVIS bespielt Instagram (Stand: 2022 rund 69.000 Follower) und Facebook (rund 40.000 Follower). Die Themenkategorien umfassen: Inszenierung der Styles und Outfits, Travel Destinations, mediterane Lifestyle-Inspirationen, Sport, Leisure und Architektur.
Customer Journey eines D2C-Fashionunternehmens
Die nachfolgende Abbildung zeigt eine typische Customer Journey eines Kunden, wenn dieser mit einem D2C-Unternehmen in Kontakt kommt. Ausgehend von einem inspirierenden Creative als Facebook Ad oder einer ästhetischem Instagram Ad im mediteranen Flair erreicht der potentielle Kunde schließlich den Online-Shop und soll dann auch kaufen. Anschließend soll der Fan- oder Followerstatus in Sozialen Medien eine Kundenbindung ermöglichen. Ergänzend wird auch ein E-Mail-Newsletter angeboten.
Crossmedia-Ansatz und Touchpoints
Die kommunikative Leitidee stellt darauf ab, den Innovationsgrad des Produktes klar zu machen. („Die perfekten Shorts“). Die kreative Leitidee besteht aus einer mediteran geprägten Bilderwelt. Schöne italienische Landschaften, ein stets sonniges Klima und die sportliche Dynamik der Model-Protagonisten sollen die sportliche Flexibilität und schlichte Eleganz der Produkte betonen. Die Sicherstellung der kanalübergreifenden Konsistenz der werblichen Aussagen wird in der nachfolgenden Abbildung gezeigt.
Datenstrategie
MR MARVIS sammelt wertvolle First-Party-Daten aus eigenen Kanälen. So wird die Nutzung und die Effektivität des Online-Shops genau analysiert und für künftige Kampagnen optimiert. Mit Blick auf die Nutzer sind das beispielsweise die Anzahl der Besuche, die typischen Navigationsmuster sowie die durchschnittliche Verweildauer im Online-Shop. Gleichzeitig werden Konversions- und Abbruchanalysen laufender Kaufprozesse vorgenommen. Weitere Datenquellen finden sich im E-Mail-Newsletter und bei den Ergebnissen aus der Schaltung von Social Ads.
MR MARVIS nutzt Retargeting mit Hilfe des Facebook Pixels, womit Besucher des Online-Shops, die trotz Verweildauer nichts gekauft haben, anschließend durch Facebook oder Instagram Ads wieder an die Marke erinnert werden.
MR MARVIS wendet auch Direct Marketing auf Basis eines CRM an und versendet gedruckte Werbematerialien an die Zielgruppe.
Business Architektur (Systeme, Software, Tools, Programme)
Webshop: Shopify
PoS-Logistik: Shopify PoS
CRM: Salesforce
Analytics: Tracify
Retargeting: Criteo
Mit einem D2C-Angebot können viele wertvolle Daten gewonnen und ausgewertet werden. Angefangen bei Analytics-Daten zum Surfverhalten im eigenen Online-Shop über Kundenservice-Anfragen bis hin zu Social-Media-Aktivitäten der Zielgruppe. Dieser Datenschatz kann dabei helfen, Kundinnen und Kunden an die eigene Brand zu binden, Produkte zu verbessern und die Marketingstrategie kontinuierlich zu optimieren.
Niklas Mahrdt
MEDIA ECONOMICS INSTITUT
August 2022
Zitiervorschlag für diesen Beitrag:
Mahrdt, Niklas (2022): Fallstudie zur D2C-Strategie von MR MARVIS. In: Media Economics Institut (Hg.): Cross Science (2020). Wissenschaftsblog für Digitales & Marketing. Weblink: https://www.media-economics.de/cross-science/fallstudie-zur-d2c-strategie-von-mr-marvis/
(bitte unter Angabe des Versionsdatums zitieren)
Weitere Quellen zum Thema:
https://www.mckinsey.com/industries/consumer-packaged-goods/our-insights/should-cpg-manufacturers-go-direct-to-consumer-and-if-so-how
https://www.code.nl/de/cases/mrmarvis